30. Juni 2022

Sensationsfund im Thüringer Wald: 490 Jahre altes Olitätenbuch entdeckt

Es ist eine beinahe unglaubliche Geschichte: Bei Sanierungsarbeiten in Oberweißbach entdeckt der Handwerker Christoph Kenn in einem Bauschuttcontainer durch Zufall ein kleines altes Büchlein. Niemand kann zu diesem Zeitpunkt ahnen, welcher Schatz hier tatsächlich zwischen Altholz, Mauerresten und Putz zutage gefördert wurde. Ohne Einband und den Fundumständen entsprechend verwittert, gibt das Buch sein Geheimnis erst durch eingehende Untersuchungen preis. Beinahe 500 Jahre alt ist das Werk, das seinen Ursprung im ehemaligen Franziskaner-Kloster zu Mellenbach hat und über 140 Jahre von 15 verschiedenen Kräuterkundigen geführt wurde. Doch nicht nur als Gedankenstütze für verschiedene Rezepturen und heilsame Kräuteranwendungen diente das Büchlein, sondern es liest sich darüber hinaus beinahe wie die Krankenkartei berühmter Persönlichkeiten ihrer Zeit. Ausgestellt ist das wertvolle Fundstück im neuen Olitätenstübchen im Memorialmuseum  „Friedrich Fröbel“ (Fröbelhaus) in Oberweißbach.

Was das Olitätenbuch bisher verrät

Einige Monate liegt das Büchlein im Regal bis Roland Kob, der Onkel des Finders und selbst Bauunternehmer aus Altenberge bei Münster, auf das Fundstück aufmerksam wird und sich vornimmt, das über Jahrhunderte gehütete Geheimnis zu entschlüsseln. In jahrelanger Arbeit übersetzt er den Text aus dem Lateinischen ins Deutsche. Er lässt Papier, Tinte und Handschriften professionell analysieren und fördert so das mit hoher Wahrscheinlichkeit erste Olitätenbuch der Region zutage. Die bisherigen Annahmen datieren die Anfänge der Olitätentradition im „Thüringer Kräutergarten“ auf das beginnende 17. Jahrhundert, was das Büchlein allein mit seinem Alter widerlegt. Von etwa 1530 bis zirka 1668 reichen die wertvollen Aufzeichnungen zu den behandelten PatientenW und den angewandten Salben, Umschlägen, Pulvern sowie weiteren Heilkräutermedikationen. Doch nicht nur das Alter des Zufallsfundes lässt beeindruckende Rückschlüsse auf die Bedeutsamkeit der vom Schwarzatal ausgehenden Kräutertradition zu, vor allem die Namen der behandelten Patienten künden vom besonderen Sachverstand der ortsansässigen Kräuterexperten.

Prominente Krankenkartei des 16. und 17. Jahrhunderts

Die 140 Doppelseiten des kleinen Notizbuches bezeugen die medizinische Behandlung bedeutender Persönlichkeiten ihrer Zeit, die maßgeblich von den Folgen des Bauernkrieges (1524/25) und den Wirren des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) geprägt sind. So wird unter anderem der berühmte Züricher Wundarzt Felix Würtz (1510 – 1598) im Büchlein benannt, der vor allem durch seine kritische Auseinandersetzung mit zeitgenössischen medizinischen Praktiken in seiner Publikation „Wund Artzney“ (Basel 1563) bekannt ist. Ob Erfahrungen aus der im Schwarzatal erlebten medizinischen Behandlung in seine Werke eingeflossen sind, lohnt sicherlich der weiteren wissenschaftlichen Betrachtung. Georgius Agricola (1494 – 1555) zählt ebenfalls zu den namenhaften Patienten, die im Buch Erwähnung finden. Der universalgelehrte Arzt und Apotheker gilt heute als Begründer der Mineralogie. Als einer der relevanten Feldherren des Dreißigjährigen Krieges ist Marquis Tilly – Johann T’Serclaes Graf von Tilly (1559 – 1632) benannt. Darüber hinaus ist von Christian II. (1634 – 1638), Herzog von Anhalt oder Johann Ernst, Herzog von Sachsen-Eisenach, einem Abt im Benediktinerkloster St. Januarius in Murrhardt oder dem italienischen Physiker und Anatom Gasparus Aselling (1581 – 1625) die Rede. Man ahnt schon, dass sich bei näherer Betrachtung und wissenschaftlich fundierter Auseinandersetzung hinter dem Fundstück zahlreiche Geschichten verbergen, die darauf warten erzählt zu werden.

Olitätentradition im „Thüringer Kräutergarten“ viel älter als bisher angenommen

So schlicht und schmucklos das Notizbuch auch vom äußeren Erscheinungsbild her ist, so bedeutsam ist es doch für die Aufarbeitung der Olitätentradition des „Thüringer Kräutergartens“. So wird die rund 240 Quadratkilometer umfassende Region entlang des Mittellaufs der Schwarza im Naturpark Thüringer Wald genannt, in der aufgrund topografisch und geologisch günstiger Bedingungen besonders heilkräftige Kräuter wachsen. Ging man bisher davon aus, dass sich die einzigartige Tradition vor rund 400 Jahren entwickelte, korrigiert nun das aufgefundene Olitätenbuch als das älteste Zeugnis die nachweisbaren Anfänge der Olitätentradition um mindestens 100 Jahre zurück. Das lateinische Wort „Oleum“ bedeutet im übrigen Öl. Olitäten sind also Öle, Essenzen, Tinkturen oder Salben, die aus Kräutern hergestellt werden. Auf den Bergwiesen und Wäldern wurden diese übers Jahr hinweg gesammelt und in Waldlaboratorien zu Heilmitteln verarbeitet. Die sogenannten Buckelapotheker trugen die wertvollen Kräuterschätze mit einem hölzernen Tragegestell, dem „Reff“, auf dem Rücken über große Strecken hinweg zu Kunden in ganz Mitteleuropa.

Zufallsfund zurück in authentischer Umgebung

In der neu eingerichteten Olitätenstube des Fröbelhauses in Oberweißbach kommen Gäste der Kräuterkultur der Region näher und können sogar mit einem nachgebauten „Reff“ selbst in die Rolle eines Buckelapothekers schlüpfen oder zum Duftdetektiv werden. Historisch bedeutsame Exponate aus vormaligen Laborantenbetrieben und Apotheken werden durch interaktive Erlebnismomente ergänzt. „Das bedeutendste Ausstellungsstück dürfte aber wohl inzwischen unser Olitätenbüchlein sein“, sagt Katharina Eichhorn, Geschäftsführerin der Fröbelstadt Marketing GmbH und Leiterin des Museums, voller Stolz. Manfred Kob, der Bruder Roland Kobs und ebenfalls Onkel des Finders, selbst als Heimatforscher in Lauscha aktiv, stellt 2021 die entsprechenden Verbindungen her. Das Buch ist inzwischen als Dauerleihgabe in die historischen Räumlichkeiten des über 400 Jahre alten Fachwerkgebäudes integriert. Und wo könnte das wertvolle Zufallsfundstück besser aufgehoben sein als an diesem besonderen Ort, an dem nicht nur die regionale Kräuterkultur intensiv gepflegt und gelebt wird, sondern wo die Kräuterfrauen der Region wertvolles tradiertes Wissen in Kräuterseminaren und Workshops auch heute noch weitergeben. Das Olitätenstübchen ist sonn- und wochentags geöffnet.

Weitere Informationen unter:

www.oberweissbach.de/froebelhaus/museumundolitaetenstube, www.thueringer-wald.com


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Nina Genböck
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